Lexikon der populären Fahrwerk-Irrtümer: Teil 2

Vor kurzem konnte die BILSTEIN Academy bereits einige populäre Mythen rund um das Fahrwerk klären und in weiten Teilen ausräumen. Doch es gibt noch weitere Dos and Don’ts zum Thema Stoßdämpfer und Co. In diesem Beitrag kommt deshalb ein beliebtes Testverfahren des Radialspiels an der Kolbenstange unter die Lupe, das nicht zwangsläufig zum Ziel führt. Zudem wird geklärt, was Federwegbegrenzer wirklich leisten können – und was definitiv nicht. Last but not least geht BILSTEIN-Experte Rainer Popiol der Behauptung auf den Grund, dass die „Härte“ eines Fahrwerks direkt mit seiner sportlichen Leistungsfähigkeit korrespondiert.

Ebenfalls viel diskutiert werden Federwegbegrenzer, womit aber nicht die vorhandenen Druckanschläge/Anschlagpuffer gemeint sind, sondern Komponenten zum Nachrüsten. In Foren, und teilweise auch seitens der Teilehersteller, wird oft unzutreffend behauptet, dass diese Fahrwerk und Karosserie beim Einfederungsprozess schonen. Rainer Popiol rückt die Tatsachen gerade: „Federwegbegrenzer nehmen dem Fahrzeug den notwendigen Federweg. So hindern sie den Stoßdämpfer daran, die dynamischen Schwingungen aus dem Fahrwerk vernünftig abzubauen. Liegt der Stoßdämpfer auf dem Federwegbegrenzer, zeigt sich das Fahrverhalten als sehr hart und ,hoppelig‘. Das Auto lässt sich kaum noch vernünftig fahren.“ Somit trifft eher das Gegenteil der Anfangsbehauptung zu: Fahrwerkteile und Karosserie werden durch die Federwegbegrenzer nicht geschont, sondern eher überbeansprucht und verschleißen somit schneller. Unabhängig von diesen irrtümlich angenommenen Vorteilen kommen diese Komponenten vor allem in folgendem Fall zum Einsatz: Ein Fahrzeug wurde tiefergelegt und dann eine breitere Rad-Reifen-Kombination mit ungeeigneter Einpresstiefe eingebaut. Die Federwegbegrenzer sollen dann verhindern, dass die Reifen an den Kotflügelunterkanten oder am hinteren Seitenteil schleifen. Doch auch dieses Motiv bringt suboptimale Ergebnisse: Aus Sicherheits- und Performance-Gründen sollte ein schnelles Fahrzeug stets ausreichend Einfederweg besitzen. „Nur so kann der Stoßdämpfer seine Aufgabe gut erfüllen und Schwingungen abbauen“, erläutert Popiol.

Ebenfalls im Tuning-Umfeld ist ein weiterer Mythos angesiedelt: Je härter das Fahrwerk ist, desto sportlicher fährt ein Auto. Aber hält diese Devise einer genaueren Prüfung wirklich stand? „Die gern zitierte Faustregel vereinfacht viel zu stark und kann somit als falsch erachtet werden“, führt Fachmann Rainer Popiol aus: „Fakt ist: Auch ein sportliches Fahrwerk muss ausgewogen abgestimmt sein. Extreme sind oft kontraproduktiv.“ Relativiert und unterfüttert man die anfängliche Behauptung jedoch ein wenig, kommt man argumentativ doch noch auf einen „grünen Zweig“. Denn natürlich kann eine Tieferlegung fahrdynamisch Vorteile bringen. Korrekt ist: Eine genau zu definierende Absenkung des Fahrzeugschwerpunktes verringert bei maximal möglichen Restfederwegen die Wankneigung und verbessert die Fahrdynamik. Beim Einsatz von Sportfedern, am besten in Verbindung mit passenden Hochleistungsdämpfern, ist immer ein technisch sinnvolles Maß zu beachten: 40 mm tiefer heißt, dass an der Achse 40 mm weniger Einfederungsweg zur Verfügung stehen. Ausreichend Restfederweg sollte aber in jedem Fall vorhanden bleiben. Bei einer Fahrzeugtieferlegung ist zudem die Qualität und Leistungsfähigkeit der verwendeten Komponenten entscheidend. Sind etwa die Dämpfer zu hart abgestimmt, kann das die Traktion der Reifen negativ beeinflussen. Somit gilt: Nicht jedes Auto, das extrem tief und sportlich aussieht, kann dieses Versprechen in puncto Handling auch einlösen.